Page 6 - Berchtoldsgaden-Musick
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und dazu Stücke, die damit gespielt werden konnten. Durch seine Musikschule bot Fiecht für Hausierer
               einen vielversprechenden Anziehungspunkt.

               Angerers Berchtoldsgaden Musick, komponiert vermutlich schon um 1760/70, mag unter anderem einen
               derartigen Weg der Verbreitung genommen haben. Als Alltags-  und Gebrauchskomposition im
               ursprünglichsten Sinn erschien sie auch ihrem Autor kaum als opuswürdig, wie andere Stücke dieses

               Genres. Folglich war die Voraussetzung für die anonyme Überlieferung samt der  individuellen
               Bearbeitung  gegeben,  für  eine  jeweilige neue  Aufführungserfordernis oder  nach dem  spezifischen
               Gefallen anderer Ausführender. Hätte nicht die persönliche Bekanntschaft angerers mit Paluselli
               bestanden, wäre das Stück in Stams wahrscheinlich ebenso anonym geblieben. So aber hat es Paluselli

               samt dem vollständigen Namen des Autors abgeschrieben und in seinem Stamser Musikalienkatalog
               ebenso mit der eindeutigen Angabe des Komponisten eingetragen.
               Angerers  charmantes Gelegenheitswerk muß  gleich nach seiner  Entstehung rasch an Popularität
               gewonnen haben und zu einer Art Schlager geworden sein. Die Poluraisierung dürfte im nachhinein das

               Interesse an der Kenntnis des Autors nach sich gezogen haben. bestenfalls werden die Wanderhändler
               vielleicht noch anfangs kurzfristig gweußt haben, daß das originelle Stück von einem Tiroler
               Benediktiner stammt.
               Den quellenkritischen Untersuchungen am originalen Handschriftenfragment der Kindersinfonie mit

               der                                                                          Autorenangabe
               L. Mozart  zufolge läßt sich schließen, daß Leopold Mozart die  bereits  populäre Berchtoldsgaden
                        [16]
               Musick Angerers,  wahrscheinlich ohne  daß  er deren  Komponist  kannte,  einem  Brauch seiner  Zeit
               entsprechend weitläufig bearbeitet haben dürfte, indem er Besetzung und Satzfolge nach Salzburger

               Serenadentradition erweiterte und  Transpositionen vornahm. Dadurch erklärt  sich der spätere
               Titel Casatio und ebenso sein Name als Komponist auf dieser Quelle. Wäre der ursprüngliche Autor
               der Kindersinfonie der ebenfalls in Salzburg und bei Hof wirkende Kollege Leopold Mozarts, Michael
               Haydn, gewesen, wäre eine derartige stillschweigende Vereinnahmung des Autors durch Leopold
               Mozart schwer denkbar, noch weniger gegenüber einer Komposition des berühmten Josef Haydn.

               Die zwingende Kombination der - hier in Auswahl - dargelegten Fakten bedingt die Identifizierung
               Angerers als den Komponisten der Berchtoldsgaden Musick und damit der Kindersinfonie.



                               ZUR BESETZUNG DER KINDERINSTRUMENTE


               Für die ersten Aufführungen von Angerers Berchtoldsgaden Musick im Tiroler Landesmuseum
               Ferdinandeum im Spätsommer 1996 (vgl. u. Diskographie) wurde für den Kuckuck das originale

               Exemplar eines Grödener Kuckucks aus dem 19. Jahrhundert  im Salzburger Museum Carolino
               Augusteum eigens nachgebaut. Der Instrumentenbauer Rudolf Tutz in Innsbruck hat nicht nur diese
               Kopie des Grödener Kuckucks angefertigt, sondern auch, ebenso nach einem originalen, böhmischen
               Vorbild im Carolino Augusteum das Windradl, das simultan mit den neuen, eingestimmten
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