Page 3 - Berchtoldsgaden-Musick
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P h y si sc h e  B e sc h r e i b u n g
               d e r  S t a m se r  H a n d sc h r i f t
               Die Stamser Stimmkopie der Kindersinfonie (Signatur: Musikarchiv L III 62) trägt auf  fol. 1r der
               Violinstimme folgenden Titel:

               Berchtolds-Gaden Musick. a Violino, e Viola, con  Baßo. Quagliaruòlo: Wachtel-Ruf F. Cuccolo.
               Guguck. G. E. Piffaro con ruoticella: Windpfeifgen G. Trompetta piccola. Trompetchen G. Rasca.
               Raetschgen . Organo. Oergelchen Auth: R. P. Edmundo Angerer Ord[inis] S[anc]ti Benedicti in Fiecht.
               Darunter steht ein zweitaktiges Incipit der Violin- und Baßstimme.

               Es sind 9 Stimmen (je 30 x 23 cm)  vorhanden:  Violine, Viola,  Baß, Wachtelruf,  Kuckuck,
               Windpfeifchen, Trompetchen, Rätschchen, Örgelchen.
               Versiert geschrieben hat sie gegen 1790, also zu Angerers Lebzeiten, P. Stefan Paluselli OCist. (* 1748
               Kurtatsch/ Südtirol, † 1805 Stams) vom Stift Stams, ein begabter Musikpädagoge am Knabenseminar

               des Klosters und 'Hauskomponist' für alle erdenklichen Anlässe geistlicher und profaner Art. Er hatte
               1771 in Stams die Ordensprofeß angelegt und war von 1791 bis an sein Lebensende Chorregent in der
               Abtei. Als Wasserzeichen (der württembergischen  Lottermühle) findet sich das  Wappen der Stadt
               Wangen, darunter der Ortsname WAMGEN.

               In den Stimmen finden sich aufführungspraktische Bleistiftvermerke von Palusellis Hand: in Violine
               und Baß im Menuett bzw. Trio: piz: / col arco; im Windpfeifchen im 1. Satz (viertletzter Takt): ff; in
               allen Stimmen im Finale ein Sprung, nämlich nach Takt 19 auf Takt 42/43, dazu eine Fermate bzw. der
               Vermerk Finale. Demnach wurde das Stück unter Palusellis Leitung, möglicherweise auch unter seiner

               Direktion vom Violinpult aus, aufgeführt. Das Stück umfaßt drei Sätze: Allegro (C-Dur, 4/4, 67 Takte)
               - Menuett (C-Dur, 3/4, 30 Takte) / Trio (F-Dur, 3/4, 26 Takte) - Finale. Presto (C-Dur, 3/8, 46 Takte).
               Vielleicht war die Abschrift ursprünglich Palusellis Eigentum, denn sie trägt nicht wie andere Kopien

               von Palusellis Hand den früher oder später hinzugefügten Besitzvermerk Ad Chorum Stamsensem. Über
               dem Titel hat Paluselli jedoch deutlich sichtbar die Archivsignatur A. a. No 17 angebracht.


               A r g u me n t e
               fü r A n g e re rs  A u to rs c h a ft

               Die Signatur A. a. No 17 von Palusellis Hand oben auf der Titelseite der Handschrift nimmt Bezug auf
               das Registrum Musicalium Stamsensium, einen Musikalienkatalog, den Paluselli 1791 mit Antritt seines
               Amtes als Chorregent angelegt hat (Umfang 144 fol., 4°, Signatur: Musikarchiv R III 1). Er listete den

               reichhaltigen Notenschatz des Stiftes z. B. nach Komponisten, Gattungen oder Textanfängen auf und
               versah jeden Titel mit einem Musikincipit sowie der Besetzungsangabe. Unter der Rubrik A. a. (S. 148-
               151) trug er sog. Saturnalia ein, heitere kleine Stücke in verschiedener Besetzung, bestimmt  zur
               Darbietung im Stift auf fröhlichen Festen. Unter den Autoren sind Brixi oder Michael Haydn vertreten,
               12 von den 22 angeführten Stücken anonym; statt des Autorennamens steht N: N:. Teils dürfte der

               Komponist wirklich nicht bekannt gewesen sein, teils dürfte man ihn verschwiegen haben, um den
               Urheber ironischer Bonmots nicht bloßzustellen. Unter Nummer 17 ist auf Seite 150 die Kindersinfonie,
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