Page 5 - Berchtoldsgaden-Musick
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Stams erwarb oder zu  einem Oratorium des Fiechter Kollegen als Einlage einen Chor mit
               Orchesterbegleitung komponierte.
                                             [11]
               Nicht zuletzt liefert der Titel Berchtoldsgaden Musick der Stamser Handschrift einen entscheidenden
               Hinweis auf ihre Authentizität: Berchtesgadener Musik war gegen Ende des 18. Jahrhunderts ein
               Genretyp beliebter Unterhaltungsmusik und zwar in einer spezifischen Besetzung, die in einem

               Berchtesgadener Bericht von 1791 angeführt ist: Bei dieser  Musik haben Violins, Bratschen und
               Contrabaß die Hauptstimmen, die Nebenstimmen  aber werden mit verschiedenen, in dem hiesigen
               Lande verfertigten Pfeiferln, Ratschen, Trompeterln, Kuckuckmaschinen, alles  auf Noten und Takt
               besetzt.  Somit entsprechen in der Stamser Handschrift Titel und Standardbesetzung einander, was für
                      [12]
               andere Quellen nicht zutrifft.

               Neben solch äußeren Umständen,  die die Annahme der Autorschaft Angerers bereits dringlich
               nahelegen, ist zu fragen, inwieweit sich  die Berchtoldsgaden Musick, ein  Kleinod und abseits der
               Konvention eines komponierenden Benediktiners,  in das Gesamtschaffen Angerers einfügt. Neben

               geistlichen  Werken   finden   sich  in   Angerers   Œuvre Operetten wie Singspiele,  so Der
               Dorfschulmeister, Das wohlverwendete Almosen, Der Kühehirt von Ulm. Der  Tiroler Historiograph
               Benedikt von Sardagna urteilte um 1790: P. Edmund komponiert meistens Kirchenmusiken, ist aber
               auch im theatralischen Style glüklich: überhaupt aber hat er in seinen Kompositionen viel originelles

               und drükt aich sehr gut aus.  Die zeitgenössische Feststellung, Angerer schreibe viel originelles ...,
                                         [13]
               besitzt für die Kindersinfoniejedenfalls Gültigkeit.
               Im Kühehirt von Ulm setzt Angerer neben dem gewöhnlichen Orchester mit Streichern, zwei Oboen und
               zwei Hörnern Piffaro, Wachtlruf und Gucku ein, dazu wiederholen  sich stilistische  Komponenten

               der Kindersinfonie, wie das gleiche rhythmische Modell des Kuckucksrufs oder das Alphorn-Fa.  Zwei
                                                                                                   [14]
               Bockshörner und ein Muschelhorn verleihen der Wilden Jagd-Szene im Wohlverwendeten Almosen ein
               ungezähmtes Kolorit. Die Aria auf die Heilige Nacht von Angerer  leitet ein Glockenspiel, den
               Stundenschlag zur Mitternacht symbolisierend, mit ein. Das Menuett in Angerers Divertimento für vier

               Hörner zeigt in seinen Motiven substantielle Ähnlichkeiten mit dem Menuett  der Berchtoldsgaden
               Musick. Die Gleichartigkeit von Rhythmik und Harmonik beider Sätze ist ebenso frappant.
                                                                                               [15]
               Berchtesgadener  Instrumente,  im  18.  Jahr-hundert  international  begehrte  Modeartikel,  waren  im
               Wirkungskreis Angerers bekannt. Erzeugt wurden sie in Berchtesgaden, in Oberösterreich oder  im

               tirolischen Grödental. Kinder auf der Straße erfreuten sich an ihnen ebenso wie adelige Herrschaften in
               Residenzen und Klöstern, häufig bei Fastnachtsvergnügungen. Um die Mitte des 18. Jahrhunderts stieg
               die Produktion der Speilwarenmanufakturen, insbesondere mit dem Zentrum Berchtesgaden, sprunghaft
               an. Für  den  Absatz  der  vielfach  klingenden  Ware  sorgten  vorwiegend umherziehende

               Handelsgesellschaften, oft kleine Familienbetriebe, die ihre Artikel auf Märkten reißerisch feilboten.
               Möglicherweise  führten  sie  zur  Verkaufssteigerung  das  ein  oder  andere  simple  Musikstück,
               als Pertelzkammersinfonie selbst im Hause Mozart geläufig, vor.
               Edmund Angerer könnte etwa als Singknabe oder später als Kompositionsschüler im Damenstift zu Hall

               auf dem berühmten Haller Jahrmarkt den Berchtesgadener Pfeifchen und Trompetchen begegnet sein,
               doch auch im Kloster Fiecht selbst mögen die Wanderhändler iher Güter angepriesen haben, Instrumente
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