Zum Werk (Einst lebt' ein frommes Mädchen)
Holzmann komponierte zahlreiche Adventlieder mit deutschem Text; in dem Inventar des Holzmann’schen Musikaliennachlasses (1815)[1] werden unter der Rubrik „Cantilenae pro Adventu“ 29 Werke angeführt. Im Musikarchiv des Haller Pfarrchores, an den Holzmanns Musikalienbesitz überging, befinden sich heute noch 6 Adventlieder, alle im Autograph. Diese wohl vorrangig für die beliebten adventlichen Rorate-Ämter geschriebenen Werke zeichnen sich durch eine dem Volkslied nahe stehende Einfachheit aus. Sie sind strophisch in der formalen Anlage und stets mit Streichern, Holzbläsern (Oboen oder Klarinetten) und Hörnern farbig instrumentiert; die Orgel fehlt in der Regel, denn dieses Instrument hatte nach alter Tradition in der Adventszeit zu schweigen.
Das Lied „Einst lebt‘ ein frommes Mädchen“ stellt ein Unikum dar, denn Holzmann verwendet in diesem Werk Text und Melodie eines in Tirol weit verbreiteten Volksliedes. Manfred Schneider weist in seiner Sammlung von Tiroler Liedern zur Advent- und Weihnachtszeit[2] zwei Melodie- und zahlreiche Textvarianten in Quellen aus Südtirol nach, darunter eine Überlieferung des Textes aus dem Jahr 1817 (Steinhaus/Ahrntal).
Holzmann fasst in seiner Vertonung jeweils zwei Textstrophen zusammen. Zwar greift er den „Volkston“ der Vorlage auf, bereichert ihn aber durch vielfältige subtile Gestaltungsmittel (Verteilung auf Soli und Tutti, differenzierter Instrumentalsatz, dynamische Nuancierung, Unisono-Höhepunkte etc.).
Franz Gratl
[1] Dem Protokoll der Verlassenschaftsabhandlung (Innsbruck, Tiroler Landesarchiv, Verfachbuch Bezirksgericht Hall in Tirol 1815, auf fol. 791-797) beigebunden.
[2] Manfred Schneider, Lieder für die Weihnachtszeit nach Tiroler Quellen (Corpus Musicae Popularis Austriacae, 9). Wien [etc.] 1998, 30-35.