Page 7 - Kindersinfonie
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Benediktiners, in das Gesamtschaffen Angerers einfügt. Neben geistlichen Werken
finden sich in Angerers Œuvre Operetten wie Singspiele, so Der Dorfschulmeister,
Das wohlverwendete Almosen, Der Kühehirt von Ulm. Der Tiroler Historiograph
Benedikt von Sardagna urteilte um 1790: P. Edmund komponiert meistens
Kirchenmusiken, ist aber auch im theatralischen Style glüklich: überhaupt aber hat
er in seinen Kompositionen viel originelles und drükt aich sehr gut aus. Die
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zeitgenössische Feststellung, Angerer schreibe viel originelles ..., besitzt für die
Kindersinfoniejedenfalls Gültigkeit.
Im Kühehirt von Ulm setzt Angerer neben dem gewöhnlichen Orchester mit
Streichern, zwei Oboen und zwei Hörnern Piffaro, Wachtlruf und Gucku ein, dazu
wiederholen sich stilistische Komponenten der Kindersinfonie, wie das gleiche
rhythmische Modell des Kuckucksrufs oder das Alphorn-Fa. Zwei Bockshörner
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und ein Muschelhorn verleihen der Wilden Jagd-Szene im Wohlverwendeten
Almosen ein ungezähmtes Kolorit. Die Aria auf die Heilige Nacht von Angerer
leitet ein Glockenspiel, den Stundenschlag zur Mitternacht symbolisierend, mit ein.
Das Menuett in Angerers Divertimento für vier Hörner zeigt in seinen Motiven
substantielle Ähnlichkeiten mit dem Menuett der Berchtoldsgaden Musick. Die
Gleichartigkeit von Rhythmik und Harmonik beider Sätze ist ebenso frappant.
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Berchtesgadener Instrumente, im 18. Jahr-hundert international begehrte
Modeartikel, waren im Wirkungskreis Angerers bekannt. Erzeugt wurden sie in
Berchtesgaden, in Oberösterreich oder im tirolischen Grödental. Kinder auf der
Straße erfreuten sich an ihnen ebenso wie adelige Herrschaften in Residenzen und
Klöstern, häufig bei Fastnachtsvergnügungen. Um die Mitte des 18. Jahrhunderts
stieg die Produktion der Speilwarenmanufakturen, insbesondere mit dem Zentrum
Berchtesgaden, sprunghaft an. Für den Absatz der vielfach klingenden Ware
sorgten vorwiegend umherziehende Handelsgesellschaften, oft kleine
Familienbetriebe, die ihre Artikel auf Märkten reißerisch feilboten. Möglicherweise
führten sie zur Verkaufssteigerung das ein oder andere simple Musikstück, als
Pertelzkammersinfonie selbst im Hause Mozart geläufig, vor.
Edmund Angerer könnte etwa als Singknabe oder später als Kompositionsschüler
im Damenstift zu Hall auf dem berühmten Haller Jahrmarkt den Berchtesgadener
Pfeifchen und Trompetchen begegnet sein, doch auch im Kloster Fiecht selbst
mögen die Wanderhändler iher Güter angepriesen haben, Instrumente und dazu
Stücke, die damit gespielt werden konnten. Durch seine Musikschule bot Fiecht für
Hausierer einen vielversprechenden Anziehungspunkt.
Angerers Berchtoldsgaden Musick, komponiert vermutlich schon um 1760/70, mag
unter anderem einen derartigen Weg der Verbreitung genommen haben. Als
Alltags- und Gebrauchskomposition im ursprünglichsten Sinn erschien sie auch
ihrem Autor kaum als opuswürdig, wie andere Stücke dieses Genres. Folglich war
die Voraussetzung für die anonyme Überlieferung samt der individuellen
Bearbeitung gegeben, für eine jeweilige neue Aufführungserfordernis oder nach