Page 5 - Kindersinfonie
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Vielleicht war die Abschrift ursprünglich Palusellis Eigentum, denn sie trägt nicht
wie andere Kopien von Palusellis Hand den früher oder später hinzugefügten
Besitzvermerk Ad Chorum Stamsensem. Über dem Titel hat Paluselli jedoch
deutlich sichtbar die Archivsignatur A. a. No 17 angebracht.
A r g u m e n t e
f ü r A n g e r e r s A u t o r s c h a f t
Die Signatur A. a. No 17 von Palusellis Hand oben auf der Titelseite der
Handschrift nimmt Bezug auf das Registrum Musicalium Stamsensium, einen
Musikalienkatalog, den Paluselli 1791 mit Antritt seines Amtes als Chorregent
angelegt hat (Umfang 144 fol., 4°, Signatur: Musikarchiv R III 1). Er listete den
reichhaltigen Notenschatz des Stiftes z. B. nach Komponisten, Gattungen oder
Textanfängen auf und versah jeden Titel mit einem Musikincipit sowie der
Besetzungsangabe. Unter der Rubrik A. a. (S. 148-151) trug er sog. Saturnalia ein,
heitere kleine Stücke in verschiedener Besetzung, bestimmt zur Darbietung im Stift
auf fröhlichen Festen. Unter den Autoren sind Brixi oder Michael Haydn vertreten,
12 von den 22 angeführten Stücken anonym; statt des Autorennamens steht N: N:.
Teils dürfte der Komponist wirklich nicht bekannt gewesen sein, teils dürfte man
ihn verschwiegen haben, um den Urheber ironischer Bonmots nicht bloßzustellen.
Unter Nummer 17 ist auf Seite 150 die Kindersinfonie, ohne Werktitel, registriert;
die Besetzungsangabe lautet: Violino, Viola, Baßo. con sei stromenti fanciulesci
Berchtoldsgaden. Deutlich steht der Name des Komponisten: Angerer. Die
Registraturnummer A. a. 17 trägt ein Sternchen, ein Zeichen, mit dem nur ein Teil
der verzeichneten Werke kenntlich gemacht ist. Dieses Sternchen stellt den
Schlüssel zur Identifizierung des Komponisten der Kindersinfonie dar: Paluselli hat
diejenigen Handschriften und Drucke des Stamser Notenbestandes, die er
persönlich für Stams erworben hat, mit einem Sternchen markiert und dies auch
selbst im Katalog erklärt: Nach Seite 237 begann er auf drei letzten, unpaginierten
Seiten ein Register: Res, quas R[everendus P. Stephanus ad Chorum Stamsensem
procuravit. Seq[uuntur]. Am Ende der Aufzählung schließt er: et omnes quae
signantur hoc (*) signo. Das Verb procuravit besagt unzweifelhaft, daß Paluselli
das Stück selber für die Sammlung besorgt hat. Die Abschrift gelangte Nicht durch
irgendeinen Zufall hierher, sondern wurde ganz gezielt angeschafft.
Unter dieser Bedingung der Handschriftenakzession nach Stams ist es
unvorstellbar, daß Paluselli nun die Komposition, die er eigenhändig abgeschrieben
und - vor allem - durch Eigeninitiative beigebracht hat, einem anderen als dem
wahrhaftigen Autor zuordnet. Schließlich waren Angerer und Paluselli in Tirol
renommierte Persönlichkeiten, die sich zumindets von den Aufenthalten Angerers
in Stams her gekannt haben müssen. Wenn Angerer als Dirigent im Stift Stams
auftrat, wird Paluselli zu diesem Ereignis aktiv seinen Teil beigetragen haben, etwa