Page 2 - Kindersinfonie
P. 2
HILDEGARD HERRMANN-SCHNEIDER
ZUR EDITION
Nach den zwei bisher erschienenen Thematischen Katalogen der
Musikhandschriften des Dominikanerinnenklosters Lienz (in Osttirol) wie der
Pfarrkirche und Musikkapelle Vils (im Außerfern) findet jetzt die Reihe Beiträge
zur Musikforschung in Tirol ihre Fortsetzung mit einem Band, der erstmals die
Werkausgabe eines seit zweihundert Jahren aktuellen Schlagers, die sog.
Kindersinfonie, in der nun wissenschaftlich nachgewiesenen ursprünglichen, aus
Tirol von Edmund Angerer OSB stammenden Fassung präsentiert. Wiederum kann
somit ein bedeutendes Ergebnis musikwissenschaftlicher Quellenerschließung und
Grundlagenforschung vorgelegt werden.
Obwohl vom beginnenden 19. Jahrhundert an bis in unsere Tage bereits mehrfach
Druckausgaben der Kindersinfonie - unter verschiedenen Voraussetzungen und
Aspekten - erschienen sind, erweist sich die erneute Edition als Desideratum. Die
handschriftliche Überlieferung des Stücks nennt - außerhalb Tirols - Haydn, Josef
Haydn, Michael Haydn oder Leopold Mozart als Autor, die frühen Drucke in
London, Paris oder Leipzig - hier 1813 bei Hofmeister zum ersten Mal unter dem
Titel Kinder-Sinfonie - geben Josef Haydn als Komponisten an. In der Folge
[1]
beschäftigte die Frage der Autorschaft immer wieder von neuem die
Musikwissenschaft, schon im 19. Jahrhundert. Bei allem Bekanntheitsgrad der
[2]
Komposition, ihr Schöpfer war letztlich ein Unbekannter.
Zwar hat man die Existenz der Handschrift mit der Kindersinfonie unter dem
Komponistennamen Edmund Angerer im Musikarchiv von Stift Stams in Tirol zur
Kenntnis genommen, ihr aber anfangs sogar eine Relevanz für die Klärung der
Autorschaft abgesprochen. Inzwischen wurde sie in analytische Untersuchungen
[3]
aller verfügbaren Quellen zum Werk (Notenabschriften) mit einbezogen. Hierbei
[4]
zeigte sich die Stamser Lesart für mehrere Stellen im Stück als die musikalisch am
ehesten folgerichtigste. Darüber hinaus wurde schließlich vermutet, daß die
[5]
Stamser Fassung insgesamt dem als verloren angesehenen Original am nächsten
käme. Trotzdem war es noch nicht möglich, eine definitive Zuschreibung an den
[6]
Komponisten Edmund Angerer vorzunehmen.
Im Rahmen der Forschungstätigkeit des Tiroler Musikkatasters / RISM (Répertoire
International des Sources Musicales) Westösterreich gelang mir vor kurzem der
[7]
Nachweis, daß die Kindersinfonie tatsächlich von Angerer komponiert worden sein
muß. Die laufende Arbeit an der wissenschaftlichen Katalogisierung des vielfach
aufsehenerregenden Musikarchivs von Stift Stams bringt ein detailliertes Wissen
um die Konsistenz des gesamten Notenbestandes samt seinem Werden mit sich, um
historische Ereignisse im Stift und dessen weiterem Umfeld oder etwa um die