Page 3 - Chorliederbuch
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Zur Interpretation gibt Kohl noch folgende Hinweise: "Das Auftreten und mitunter sogar
Vorherrschen der Kopfstimmlage bei den Almgesängen und ganz besonders beim Tiroler
Volksliede erfordert eine ganz andere Verwendung der Stimmen und Eintheilung der Sängerschaft,
als die bei Liedertafelwerken übliche. Da die hohen Töne mit Fistelstimme gesungen werden
müssen, so sind für die oberste Stimme solche Sänger zu wählen, die über ein weiches, hohes
Falsett verfügen. Ein solches ist meist den Baritonstimmen eigen, während Tenöre mit hoher
Bruststimmlage oft eines Falsetts entbehren und dann beim Almliede in der obersten Stimme fast
keine Verwendung finden können. Das Bei den Gesangsvereinen so sehr üblichen Glänzenwollen
mit hohen Brusttönen ist beim Tirolerliede unmöglich und unnatürlich. Die 2. Stimme (2. Tenor)
ist im Alpenliede sehr oft die Trägering der Melodie und soll vorherrschen; in diesem Falle wird
sie am besten von kräftigen Baritonen mit höherer Bruststimmlage, die auch über einige Fisteltöne
verfügen, gesungen. Hohe Töne des 1. Basses (e-a) sollen in der Regel ebenfalls mit Falsettstimme
gebracht werden. Das Tirolerlied ist anspruchslos und schlicht. Einfachheit und natürliche Frische
bilden den Reiz des Tirolerliedes.
Die Ansicht, dass sich die Tirolergesänge nur für den Einzelviergesang, nicht aber für den
Vollgesang eignen, ist im Ganzen eine irrige. Man ist in Tirol gewohnt, die
Volkssängergesellschaften Tirolerlieder stets im Einzel-Viergesang singen zu hören. Der Deutsche
Volksgesangverein in Wien singt die meisten Almlieder im Chore und zwar mit größtem Erfolge.
Damit ist jedoch nicht behauptet, dass sich nicht manches Tirolerlied besser als im Vollgesang für
den Einzel-Viergesang, oder für eine ein- oder zweistimmige Aufführung eignet."
Die Idee zu dieser Auswahl aus Franz Friedrich Kohl Sammlungen stammt aus den frühen 90er
Jahren. Damals war ich vor allem damit beschäftigt, meinen zahlreichen Aufzeichnungen auf den
Gebiet des geistlichen Volksgesang, die ich in Südtirol gemacht hatte, mit speziellen
Liedpräsentationen eine neue Bestimmung zu geben. So entstanden mit dem Liedgut Südtiroler
Kirchensingen die Projekte Tiroler Weihnachtssingen und Tiroler Passions-und Ostersingen mit
Liederheften und Aufführungen im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum mit begleitender CD-
Produktion. Bei diesen Projekten waren zumeist auch Tiroler Chöre eingeladen. Da die
Eigenheiten dieses Liedguts im Zuge der Einstudierung vielfach erklärt werden mussten, habe ich
bei vielen Proben teilgenommen. Nach der Probenarbeit ist es sehr oft vorgekommen, dass die
Chormitglieder befreit von der Probensituation spontan ein Volkslied angestimmt haben,
vermutlich auch um ihre wahren Qualtäten aufzeigen zu können. Dabei wurde zumeist ein
Kärntnerlied zum Besten gegeben. Tiroler-Lieder, wie sie in der Sammlung Kohl so ideal auch für
Chöre repräsentiert sind, waren kaum bekannt und so ist in mir schon damals die Notwendigkeit
klar geworden, den zahlreichen Chören Tirols in geeigneter und zeitgemäßer Form eine Tiroler
Liedersammlung aus dem einzigartigen Repertoire dieser Quellen zur Verfügung zu stellen.
Aufgrund zahlreicher Verpflichtungen über all die Jahre musste die Idee immer wieder
aufgeschoben werden um anderen dringenden Projekten den Vorzug einzuräumen, was aber auch
den Vorteil einbrachte, dass nun eine Präsentation mit den aktuellsten technischen Einrichtungen
möglich wurde. So wurde diese Liedauswahl nicht mehr - wie ursprünglich vorgesehen - in Form
eines gedruckten Liederheftes publiziert, sondern im Internet veröffentlicht. Jeder Interessent kann
sich so sein gewünschtes Lied aussuchen, im Computersound anhören, herunterladen und für die
übrigen Chormitglieder vervielfältigen. Damit ist insbesondere für die Tiroler Chöre, aber auch für
alle anderen Benützer das erste Internetchorliederbuch Tirols verfügbar und wir glauben, dass wir
damit zudem der ursprünglichen Intention der großartigen Erschließungsarbeit durch Franz
Friedrich Kohl mit aktuellen technischen Mitteln und der bleibenden Anerkennung und
Wertschätzung seines Werks dienen.
Manfred Schneider